In Zeiten von Lockdown-Phasen und Hybridunterricht werden von vielen Kollegen Alternativen zur Kreidetafel gesucht. Digitale Notizsysteme sind oft die Lösung, zumal die Weiterentwicklung der Programme rasend schnell geht und insbesondere auch für den Mathematikunterricht interessante Möglichkeiten erlauben. Durch die zunehmende Digitalisierung in der Schule und dem dafür angestoßenen Infrastrukturausbau an den Schulen durch die Schulträger wird die Verwendung von Tablets und Notebooks im Normalunterricht zum künftigen Schulalltag gehören. Was bringen solche Notizsysteme für den Mathematikunterricht?
Ein Kommentar von Armin Baeger, Kurfürst-Balduin-Gymnasium Münstermaifeld
– MaLeNe-Koordinator Rheinland-Pfalz –
Digitale Notizsysteme sind nichts Neues. Als Apps gibt es sie seit Jahren, wobei sie oft ein Nischendasein führten. Sie sind sogar in CAS-Taschenrechner (z.B. e-Activity beim Casio ClassPad oder Notes beim TI-Nspire) oder in früheren GeoGebra-Versionen (GeoGebra Whiteboard) auffindbar. Ihre große Stärke ist es, mathematische Inhalte durch kurze Notizen, Kommentare etc., die in der Regel via Tastatur einzugeben sind, so miteinander vernetzen zu können, dass das Mathematiklernen der Schüler gefördert wird.
Mit der zunehmenden Verbreitung digitaler Endgeräte mit interaktiver, stiftgesteuerter Eingabemöglichkeit hat die Verwendung der Notizsysteme deutlich zugenommen. Meine Oberstufenschülerinnen und -schüler kommen zunehmend mit Tablets in die Schule, die ihre Schultasche quasi ersetzen. In iPad-Klassen, von denen es in Rheinland-Pfalz immer mehr gibt, ist das selbstverständlich. Mitschriften in allen Fächern, Arbeitsmaterialien und sogar zunehmend die Schulbücher sind darauf gespeichert. Ein gut funktionierendes WLAN ist allerdings die Voraussetzung für den effektiven Einsatz in der Schule. Die Schülerinnen und Schüler verwenden Apps wie Goodnotes, Notability oder Explain EDU. Sie sind allesamt leicht zu bedienen und für wenige Euro in den entsprechenden App-Stores erhältlich. All diesen Apps ist gemeinsam, dass Bild- und Audiodateien sowie Webseiten in die Notizen eingefügt werden können. Das erleichtert den Lernenden die Mitschrift in Unterricht und die Gestaltung ihrer Aufzeichnungen, zweifellos. Aber ist ein Mehrwert für das Lernen von Mathematik gegeben? Meines Erachtens nicht!
Hierfür sind Programme erforderlich, die es ermöglichen, Dateien jeder Art in die Mitschrift einzubinden. Ich selbst verwende seit vier Jahren hierfür OneNote für meine Unterrichtsvorbereitungen und meine Arbeit in der Schule. Notwendige Voraussetzung ist ein Rechner mit Stifteingabe. Da OneNote plattformübergreifend zur Verfügung steht, ist natürlich auch ein iPad oder ein Galaxy-Tablet eine Option für den Unterricht. Allerdings ist zu beachten, dass nur unter Windows der vollständige Funktionsumfang zur Verfügung steht. Dies ist für die vorbereitende Erstellung von Seiten von Bedeutung, die dann aber auf allen Systemen via Cloud-Speicherung benutzt und bearbeitet werden können.
Was muss ein Notizsystem können, um für den Mathematikunterricht einen Mehrwert zu haben? Eine Formelerkennung ist schön, auch die Integration eines CAS, das das Lösen von Gleichungen und das schnelle Zeichnen eines Graphen erlaubt. Aber schon hier kann man widersprechen: Gerade wichtige Routinen, die jede Schülerin und jeder Schüler beherrschen muss, können durch solche Tools schnell verloren gehen. Wichtig ist vielmehr, dass interaktive Elemente eingebunden werden können, die das Verständnis für Mathematik fördern, etwa durch Variation von Schiebereglern oder Ändern von Parametern, ohne hierfür die App verlassen zu müssen. Hierfür muss die Möglichkeit bestehen, Dateien aller Art, in die Notizen einzufügen: Erklärvideos oder Podcasts (am besten natürlich von den Schülern selbst erstellt), dynamische Konstruktionen und Tabellen oder interaktive Funktionsgraphen.
Programme mit diesen Fähigkeiten gibt es schon lange. Sie sind die Grundlage für die Bedienung interaktiver Tafeln, die in vielen Klassenzimmern heute hängen. Sie sind häufig sehr komplex in der Bedienung und schrecken Kollegen eher vom Gebrauch ab. Aktuelle Notizenprogramme, die sehr viel einfacher zu bedienen sind, wie GeoGebra Notes oder OneNote, leisten dies.
Werden digitale Notizsysteme also die Kreidetafel ablösen? Meine Meinung ist: Jein. Die Kreidetafel ist sicher auf dem Rückzug, zumindest als zentrale Schreibfläche. Sie sollte für schnelle, kleine Notizen zur Verfügung stehen. Die in Fachräumen oft vorhandenen Whiteboards sind eine Alternative, aber schwer zu reinigen.
In unteren Klassen wird der reine Tafelanschrieb m.E. die Regel bleiben. Das Abschreiben von der Tafel ist ein Fixpunkt zur Sicherung der Unterrichtsergebnisse und kann das Lernen fördern. Das Medium muss aber nicht Kreide sein. Der digitale Tafelanschrieb hat den großen Vorteil, den Unterrichtsverlauf durchgängig zu dokumentieren.
Spätestens in der Oberstufe schreiben die Schülerinnen und Schüler in der Regel während der Entwicklung des Tafelbildes bereits mit. Hierdurch wird das Mitdenken behindert und vor allem lernschwächere Schüler haben zwar eine vollständige Mitschrift im Heft, aber leider keinerlei Verständnis für den Inhalt entwickelt. Dieses Mitschreiben unterbleibt, wenn das gemeinsam entwickelte Tafelbild mitsamt den interaktiven Elementen am Stundenende im Kursnotizbuch oder dem verwendeten Kursmanagementsystem geteilt wird.
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